BOCHUM. Die Mitglieder der Pflegekammer Niedersachsen stimmen in den kommenden Wochen in einem dritten Anlauf über die Zukunft ihrer Selbstverwaltung ab. Die Pflegegewerkschaft BochumerBund empfiehlt den Pflegenden, sich in der Online-Befragung für eine Kammer mit Pflichtbeitrag auszusprechen. „Nur diese sowie die Pflichtmitgliedschaft sichern der Kammer ihre Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme“, betont Benjamin Jäger, Vorstandsvorsitzender der Pflegegewerkschaft.
Daher appelliert der BochumerBund an alle wahlberechtigten Pflegefachpersonen in Niedersachsen: „Wir Pflegekräfte müssen unsere Angelegenheiten in die eigene Hand nehmen – und wir dürfen sie uns nicht wieder entreißen lassen. Wir benötigen unabhängige Selbstverwaltungen in Form von Pflegekammern. Dies sollte allen Pflegenden der Pflichtbeitrag einer Kammermitgliedschaft wert sein.“
Der Ausgang der Befragung hat nach Überzeugung des BochumerBunds erhebliche Auswirkungen auf alle niedersächsischen Pflegefachpersonen. „Bei einer Mehrheit gegen eine Pflegekammer oder für das rechtlich obskure Konstrukt einer dauerhaft beitragslosen Kammer würde sich unser Berufsstand in Niedersachsen erneut der Politik ausliefern“, befürchtet Jäger. „Dies wäre ein fatales Signal.“ Denn seiner Ansicht nach haben Gesundheitspolitiker jedweder Couleur die Pflegenden schon des öfteren im Stich gelassen, nicht erst während der Pandemie: „Sie haben die Pflege in den vergangenen Jahrzehnten mit Vollgas vor die Wand gefahren.“
Niemand bestreite, dass die Pflegekammer Niedersachsen Fehler gemacht habe; Teile der Kritik seien berechtigt und ernst zu nehmen. „Allerdings war diese Kammer oft auch extrem unsachlicher und unfairer Agitation ausgesetzt, insbesondere durch ver.di“, so Jäger. „Deren Stimmungsmache ging oft mehr als nur knapp an den Fakten vorbei.“
Die von ver.di ins Spiel gebrachte freiwillige Vereinigung von Pflegenden werde keinerlei Probleme lösen: „Eine solche Vereinigung darf anders als eine Pflegekammer nicht einmal eine Berufsordnung beschließen.“ Die Mitgliederzahl der Vereinigung der Pflegenden in Bayern sei mit rund 1.400 extrem überschaubar. Außerdem hänge sie am Tropf des bayerischen Haushalts und somit der Landtagsmehrheit: „Was in Bayern eindrucksvoll vor sich hin scheitert, soll in Niedersachsen funktionieren? Es ist für den Berufsstand verheerend, dass ver.di uns Pflegenden dies weismachen will.“
Der BochumerBund-Vorsitzende Benjamin Jäger appelliert an die Pflegenden, sich nicht von ver.di gegen die Pflegekammer Niedersachsen instrumentalisieren zu lassen. „Mit Ausnahme der Grünen wollen die niedersächsischen Parteien den Pflegenden eine unabhängige Selbstverwaltung in Niedersachsen vorenthalten“, kritisiert Jäger. Die niedersächsische SPD hält er bezüglich ihrer Haltung zur Pflegekammer für ebenso wankelmütig wie unzuverlässig.
Der Gewerkschaftsvorsitzende erinnert an die schweren Pannen beim ersten Versuch im Juni, die Online-Befragung durchzuführen. Jäger: „Erst die große Verwirrung um die unsägliche Frage 11, bei der letztlich ausschließlich eine beitragsfreie Kammer zur Wahl stand, und als Sahnehäubchen ein technisches Problem, das nach nur wenigen Tagen zum Abbruch der Befragung führte. Wir als BochumerBund hoffen sehr, dass die aus unserer Sicht völlig überforderte SPD-Landessozialministerin Carola Reimann endlich die Verantwortung übernimmt und zurücktritt. Sie hat der Pflege schwer geschadet.“
Zumal die Befragung zu einer Farce mutiert sei: Bereits nach Ankreuzen einer der Optionen zur Zukunft der Pflegekammer können die Teilnehmenden die Umfrage beenden. Die Fragen zur Einschätzung der geleisteten Arbeit der Selbstverwaltung müssen nicht mehr bearbeitet werden: „Das alles hat mit der angekündigten wissenschaftlichen Evaluation nichts zu tun.“
Die Pflegegewerkschaft BochumerBund würde überdies gerne wissen, auf welcher rechtlichen Grundlage das Land eine dauerhaft beitragsfreie Kammer als Antwortoption vorgebe. Schließlich hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einem Beschluss von 2017 klar für die Verkammerung von Berufsständen samt Pflichtmitgliedschaft und Pflichtbeitrag ausgesprochen. „Freiwillige Vereinigungen hingegen haben die Verfassungsrichter nicht überzeugen können. ver.di und alle anderen Kammergegner sollten dies endlich zur Kenntnis nehmen und sich an Recht und Gesetz orientieren“, sagt Jäger.
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