BochumerBund: Erhöhung des Mindestlohns in der Pflege – Zu wenig, zu langsam

17.02.22

Wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland vergangene Woche berichtete, sollen ab September diesen Jahres die Mindestlöhne in der Pflegebranche angehoben werden. Dies bedeutet nach langer Zeit mal wieder eine gute Nachricht für die stark belasteten Pflegekräfte in Deutschland.

Was sich zunächst nach einer Sensationsmeldung, die Hoffnung verbreitet anhört, entpuppt sich jedoch schnell als erneute zahnlose Reform. Im Detail sieht die geplante Erhöhung einen gestaffelten Anstieg der Gehälter vor, die dann bis Ende 2023 ihr Ziel-Level erreichen sollen. Die dann erreichten Mindestlöhne sollen zu diesem Zeitpunkt bei 14,15€ für ungelernte Kräfte (aktuell 12€), bei 15,25€ für qualifizierte Hilfskräfte (aktuell 12,25€) und bei 18,25€ für ausgebildete Kräfte (aktuell 15€) liegen. Dies entspricht einem Brutto-Monatsgehalt von 2925€ für dreijährig ausgebildete Pflegekräfte, die momentan die Krone der Systemrelevanz darstellen und seit über zwei Jahren an vorderster Corona-Front kämpfen. Das bedeutet laut Steuerrechner für eine 1982 geborene Vollzeitkraft mit zwei Kindern einen Nettoverdienst von 1953,92€ im Monat. Es benötigt keine weiteren Rechenbeispiele, um zu erkennen, dass dieser Lohn erstens nicht ausreicht um eine Familie zu ernähren und zweitens nicht die Leistung wertschätzt, welche die Pflegenden immer, und besonders in den letzten zwei Jahren für die Gesellschaft erbringen.

Dass unausgebildete Kräfte, auf deren Arbeit unser Gesundheitssystem besonders in Wohnheimen und in der Hauskrankenpflege fußt, weiterhin in Armut leben sollen, ist schlicht ein Skandal. Diese Reformen, deren Umsetzung obendrein noch über 1,5 Jahre hinausgezögert wird, als Erfolg zu präsentieren, ist schwer zu ertragen. Eine echte Verbesserung ist nur durch eine deutliche, sofortige Erhöhung aller Gehälter zu erreichen, wie sie beispielsweise vom Deutschen Pflegerat gefordert wurde (4000€ Brutto).

Das Signal, das hier von der Politik gesendet wird, ist dennoch seit langem mal wieder ein positives und, so bedauerlich es klingt auch nötig. Zu viele Gehälter von Pflegekräften liegen in Deutschland noch heute unter dem angestrebten Mindestlohnniveau.  Es bleibt allerdings zu hoffen, dass sich die Pflegebranche und auch die gesamte Gesellschaft nicht mit derartigen Schönheitskorrekturen abspeisen lässt. Es gilt eine echte Verbesserung der Arbeitsbedingungen, der Pflegeausbildung (mit angemessenem Einstiegsgehalt), sowie eine deutliche Erhöhung der Löhne vorzunehmen und die Anliegen der 1,8 Millionen Pflegenden endlich ernst zu nehmen. Nur so kann ein noch größerer Schaden am Gesundheitswesen abgewandt werden und die Versorgung von Patientinnen und Patienten auf Dauer sichergestellt werden.

Beste Grüße

Niklas Kemper

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Pressemitteilung: Arbeit trotz Krankheit? Kein Problem!

02.02.22

Nach dem angekündigten Wegfall des Arbeitsschutzes und einer damit möglichen 60-Stunden Woche für Pflegende sorgte die Gesundheitspolitik für erneute Negativ-Schlagzeilen. Diesen Montag führte eine Aussage der regierenden Berliner Bürgermeisterin Franziska Giffey zu erneuter Fassungslosigkeit unter beruflich Pflegenden.

Ein positiver Corona Test soll nun laut der SPD-Politikerin kein Grund mehr sein, zwingend der Arbeit fern zu bleiben. Konkret gehe es darum, Corona-positive Pflegekräfte, die symptomfrei sind weiterarbeiten zu lassen, wenn sonst nicht genug Personal verfügbar wäre. “Im Moment sei diese Notlage nicht erreicht”, so die Politikerin im RBB Radio Montag. Anhand welcher Studien oder Statistiken Giffey fest macht, das momentan genug Personal vorhanden sei, bleibt dabei fraglich. “Es ginge hier wirklich um den Not-Not-Notfall, aber es ist immer ein Abwägungsprozess”, hieß es im Nachsatz. Ein wirksames Instrument den Personalbedarf im Krankenhaus zu bemessen, anhand dessen dann Maßnahmen wie Bettensperrung oder Stationsschließungen ergriffen werden können, wird weiterhin von der Regierung blockiert. Während jede einzelne Pflegekraft schon seit Jahren die Unterbesetzung in deutschen Krankenhäusern mitträgt, müssen wir uns nun das anhören.

Die Würde und in diesem Fall sogar die körperliche Unversehrtheit der gestern noch als systemrelevant und unersetzlich gelobten Pflegekräfte wird damit erneut mit Füßen getreten. Nebenbei wird die Gefährdung der Patient*innen billigend in Kauf genommen und darüber hinaus werden durch zahlreiche Studien bewiesene Tatsachen von einer ranghohen Politikerin der SPD (!) schlicht geleugnet (s. bspw. I. Özlu 2020: Pandemie trifft Pflegenotstand). Parallel lassen wirksame Maßnahmen zur Verbesserung der Situation für Pflegende wie eine radikale Erhöhung der Gehälter oder die Einführung einer Nurse-Patient-Ratio die zwingende Schritte bei Unterschreitung nach sich zieht auf sich warten. Für uns kann das nur bedeuten: Geht demonstrieren, engagiert euch gewerkschaftlich, geht streiken!

Freundliche Grüße

Niklas Kemper

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