Pressemitteilung: Pflegegewerkschaft BochumerBund: Große Kulleraugen allein helfen nicht gegen Berufsflucht aus der Pflege

BOCHUM. „Es spricht für die Leidensfähigkeit unserer Berufsgruppe, dass die Zahl der Pflegekräfte zwischen April und Juli 2020 lediglich um rund 9.000 zurückgegangen ist. Und das trotz katastrophaler Zustände in der Pflege, egal, ob wir gerade eine Pandemie bewältigen müssen oder nicht.“ Darauf weist Clarissa Fritze genannt Grußdorf hin, stellvertretende Vorsitzende der Pflegegewerkschaft BochumerBund. Zwar höre sich eine Zahl wie 9.000, angesichts von rund 1,8 Millionen Beschäftigten in der Pflege, zunächst nicht besonders beunruhigend an: „Allerdings entspricht sie rund zehn Prozent aller Pflegefachkräfte in Niedersachsen – und dahinter stehen tausende Kinder, Kranke und alte Menschen, die keine professionelle Pflege erhalten können. Allein an diesem Beispiel wird deutlich, wie dramatisch dieser Rückgang in Wirklichkeit ist.“

Ob sich diese Entwicklung zu einem dauerhaften Trend entwickle, bleibe abzuwarten. Kerstin Paulus, Beisitzerin im BochumerBund-Vorstand: „Die Bevölkerung muss allerdings mit dem Schlimmsten rechnen.“ Denn die Gesundheitspolitik habe es in Jahrzehnten, trotz aller Warnungen aus dem Berufsstand, nicht geschafft, die Pflege zukunftssicher aufzustellen: „Die Probleme wie Pflegekräftemangel oder schlechte Bezahlung, über die jetzt so viel geredet wird, sind nun wirklich nicht wie aus heiterem Himmel gekommen.“

Clarissa Fritze genannt Grußdorf ergänzt: „Und doch tun alle politisch Verantwortlichen überrascht, mimen Betroffenheit, bekommen große Kulleraugen und vergießen Krokodilstränen. Gleichzeitig zeigen sie ganz offen, dass sich ihre angebliche Wertschätzung für uns Pflegende gegen Null bewegt, indem sie Pflegepersonaluntergrenzen aussetzen, die Ruhezeiten reduzieren oder die erlaubte Wochenarbeitszeit heraufsetzen. Klug sind solche Maßnahmen definitiv nicht, auch nicht in einer Ausnahmesituation wie in dieser Pandemie.“ Die körperlichen, seelischen und psychischen Belastungen seien so schwerwiegend, dass Berufsunfähigkeitsversicherungen Pflegekräfte oft ablehnen oder nur zu horrenden Summen versichern.

„Dadurch fehlt so viel Personal, dass Kolleginnen und Kollegen ihrer Gesundheit und ihrer Familie zuliebe aus dem Beruf aussteigen“, weiß Fritze genannt Grußdorf. „Dieser Schritt ist absolut nachvollziehbar.“ Um diesem Trend entgegenzuwirken, strebt der BochumerBund eine Reduzierung der Wochenarbeitszeit in der Pflege an. „Damit ließe sich die Resilienz der Kolleginnen und Kollegen ausreichend stärken, damit sie es trotz aller Belastungen im Beruf gesund bis zur Rente zu schaffen.“

Bereits die Kündigungen einiger weniger Pflegepersonen könne zur Schließung von Wohnbereichen bzw. Stationen führen, wie Kerstin Paulus hervorhebt, die ebenfalls in der Intensivpflege arbeitet: „Damit fehlen ganz schnell Dutzende von Heimplätzen bzw. Klinikbetten und die pflegebedürftigen Menschen bezahlen dafür im schlechtesten Fall mit ihrem Leben.“ Deswegen müsse man auch vermeintliche Erfolgsmeldungen mit Vorsicht betrachten. Zwar steige die Zahl der Auszubildenden in den Pflegeberufen: „Doch rund ein Viertel von ihnen beendet die Ausbildung nicht oder steigen nach ihrem Abschluss direkt wieder aus dem Beruf aus. Es steht zu befürchten, dass dieser Anteil steigen wird. Schließlich wurden in der Pandemie ganze Jahrgänge regelrecht verheizt.“ Richtig gut seien die Ausbildungsbedingungen vor Ausbruch der Corona-Krise in vielen Betrieben allerdings auch nicht gewesen – ganz im Gegenteil.

Zur Verweildauer von Pflegekräften in ihrem Beruf wiederum kursieren sehr unterschiedliche Berechnungen. „Aber egal, ob Pflegende im Durchschnitt sechs, 7,5 oder 13,7 Jahre im erlernten Beruf tätig sind: viel zu viele Kolleginnen und Kollegen, die eine pflegerische Ausbildung absolviert haben, gehen mit einer anderen Tätigkeit in Rente“, so Clarissa Fritze genannt Grußdorf. Auch dies reiße riesige Lücken in die pflegerische Versorgung, die andere kompensieren müssen: „Und so dreht sich die Negativ-Spirale weiter, bis der Beruf vollends zu Grunde gerichtet worden ist und die pflegerische Versorgung zusammenbricht.“

Die Pflegegewerkschaft BochumerBund fordert zur Verbesserung der Situation in der Pflege u. a. bessere Arbeitsbedingungen, eine deutlich höhere Entlohnung und mehr Mitspracherechte für Pflegende in pflegerelevanten Belangen, z. B. durch die Etablierung von Pflegekammern. Kerstin Paulus erwartet, dass bis zur Erfüllung der wichtigsten Gewerkschaftsforderungen noch ein langer und steiniger Weg zu gehen sein wird. Was aber nicht nur an fehlender Ernsthaftigkeit in Politik und Gesellschaft liege: „Leider fehlt bei zahlreichen Pflegenden nach wie vor das Verständnis dafür, wie wichtig es ist, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Aber nur, wenn sich viele aus unserem Berufsstand zusammentun, können wir etwas in der Pflege verbessern. Der BochumerBund bietet allen Pflegekräften eine Plattform, sich zu engagieren – nach unserem Motto ‚von Pflegenden für Pflegende‘.“

Mehr Informationen zur Pflegegewerkschaft finden sich unter www.bochumerbund.de.

 

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